Tauchen, DIR und GUE

Wenn man Tauchen lernen möchte und sich verschiedene Tauchschulen oder Tauchlehrer ansieht, wird man feststellen, dass Übungen immer anders gelehrt werden und jeder seine eigene Meinung dazu hat, wie etwas richtig gemacht wird und wie nicht. Es gibt üblicherweise keine Einheitlichkeit zwischen Tauchlehrern, in Tauchschulen oder Verbänden. Allenfalls unverbindliche Richtlinien. Auch die Ausrüstung unterscheidet sich zwischen Tauchern oft so stark, dass es üblich ist, sich vor Tauchgängen mit Unbekannten erstmal die Ausrüstung erklären zu lassen, um im Notfall helfen zu können. Diese Individualität betrifft also sowohl die Ausrüstung, als auch die zu lernenden Übungen.

Beim "normalen" 30-Minuten-Sporttauchgang im warmen Wasser (wohlmöglich mit Diveguide) mag das funktionieren, sobald die Tauchgänge aber länger und anspruchsvoller werden, kann das zur Gefahr werden, weil Missverständnisse und Unsicherheiten zu Fehlern führen.

GUE Höhlentaucher in der Emergence du Ressel, Frankreich
 GUE Höhlentaucher in der Emergence du Ressel, Frankreich

Aus diesem Grunde entwickelten Höhlentaucher Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre das DIR-System. Bei ihren Forschungstauchgängen in den Frischwasserquellen im Norden Floridas kam es immer wieder vor, dass durch falsche, unerwartete oder verspätete Reaktionen hoher Stress entstand und dadurch auch ein erhöhtes Risiko. Hier setzt DIR an. Mit den Jahren entwickelte sich daraus ein System, das durch standardisierte Verfahren und standardisierte Ausrüstung aller Teammitglieder die Unfallzahlen stark reduzieren sowie die Effizienz und den Spaß am Tauchen stark steigern konnte. Später wurde dieses Sytem dann auch für Tauchgänge außerhalb von Höhlen angepasst und ist seit dem ein universeller Tauch-Standard für fast alle Arten von Tauchgängen.

Jarrod Jablonski, einer der Mitentwickler von DIR, gründete 1998 die Organisation GUE (Global Underwater Explorers), um DIR weiter zu verbreiten und allen Tauchern zugänglich zu machen. GUE ist eine nicht kommerzielle Organisation (ähnlich einem Verein), bei der man Mitglied werden kann, aber nicht muss. GUE hat das DIR-System über die Jahre immer wieder optimiert und verfeinert und bildet Tauchlehrer aus, die auf der ganzen Welt ihre Kenntnisse weitergeben.

Nach GUE gründeten sich auch andere Organisationen, die sich das DIR-Konzept zu Nutze machten und weiterentwickelten. Dadurch gibt es heute mehrere Arten (oder Strömungen) des DIR-Systems. Diese sind sich zwar alle sehr ähnlich, unterscheiden sich aber doch in einigen Punkten. Aus diesem Grunde werde ich hier nicht mehr ausschließlich vom DIR-System, sondern vom GUE-System sprechen. GUE ist die größte und bekannteste DIR-Organisation, und ich beziehe hier mich immer auf das, was bei GUE Standard ist.

Kritik an DIR

Das Thema DIR (doing it right, mach es richtig) wird unter Tauchern oft heiß diskutiert. Viele denken, allein der Name "doing it right" besage, man würde etwas falsch machen, wenn man das DIR-System nicht anwendete. Daraus entwickelten sich in der Vergangenheit verschiedenste Einstellungen von pro-DIR über ein-bisschen-DIR bis absolut-anti-DIR. Einige machen sich auch lustig darüber, weil ihnen vieles absurd erscheint und sie vieles nicht nachvollziehen können. Oft entstehen solche Meinungen durch Informationen, meist aus dem Internet, die aus dem Zusammenhang gerissen oder schlichtweg falsch sind. Auch ein Mitbegründer des DIR-Systems, George Irvine, hat sich durch viele, provozierende Aussagen nicht immer Freunde bei anders Denkenden und anders Tauchenden gemacht.

GUE Tauchausrüstung - Alles gleich aufgebaut, auch die Kreislaufgeräte
GUE Tauchausrüstung - Alles gleich aufgebaut, auch die Kreislaufgeräte

Kritik entstand auch dadurch, dass DIR-konforme Ausrüstung in den Anfängen von Firmen hergestellt wurde, die DIR-Gründern (mit)gehörten. Das DIR-System entwickelte sich zu Anfang der 90er Jahre, als es einfach noch keine entsprechende Ausrüstung gab. Die Herren Irvine, Gavin, Jablonski usw. sind eben nicht nur hervorragende Taucher, sondern auch gute Geschäftsmänner. Kann man es ihnen verübeln? Inzwischen gibt es aber genug Alternativen, auch auf dem deutschen Markt.

Ich möchte durch diese Seiten niemanden "bekehren". Ich möchte erklären, was DIR und das GUE-System sind und warum ich und viele andere es anwenden. Ich bin kein "alter Hase" auf diesem Gebiet, bin aber von GUE ausgebildet worden und kann vielleicht mit einigen Vorurteilen aufräumen und einige, oft gemachte, falsche Aussagen richtig stellen. Da das GUE-System ständig weiterentwickelt wird, ändern sich auch gelegentlich die Standards. Diese Seiten beschreiben das DIR-System so, wie es im September 2011 aktuell war. Viel Spaß beim Lesen!

Was ist das GUE-System?

Wenn man einen Taucher fragt was DIR ist, wird er wahrscheinlich sagen, es sei eine Art der Ausrüstungskonfiguration. Das ist nicht richtig. Vielmehr ist DIR eine Ideologie, die unter anderem eine bestimmte Einstellung, spezielle Verfahren und eine spezielle Ausrüstungskonfiguration voraussetzt, um zu funktionieren. Ziel des DIR-Systems ist es, die Sicherheit, den Spass und die Effizienz bei allen Arten von Tauchgängen (beim Sporttauchen und beim technischen Tauchen) zu erhöhen. Dies wird erreicht durch eine minimalistische, stromlinienförmige Ausrüstung, festgelegte Verfahren zur Tauchgangsplanung, Kommunikation, Verhalten unter Wasser, Gaswechsel, Notfälle, usw. Körperliche Fitness (dazu gehört auch, dass man Nichtraucher ist) gehört auch dazu, ebenso wie die mentale Einstellung zum Tauchvorhaben. Teamgeist ist gefragt, da im DIR-System immer im Team getaucht wird. Solotauchgänge werden (anders als von anderen Tec-Organisationen gelehrt) nicht unternommen. Das setzt GUE in seinem System um und spiegelt sich in den GUE Kursen und Projekten wieder.

Die Ausrüstung eines GUE-Tauchers ist so aufgebaut, dass mit der selben Ausrüstung alle Tauchgänge, vom flachen Spaßtauchgang im warmen Wasser bis zum extremen Tief-, Wrack- oder Höhlentauchgangin der Arktis, unternommern werden können. Bei allen Tauchvorhaben ist die Ausrüstung im wesentlichen gleich, sie wird je nach Tauchgang nur in wenigen Bereichen modifiziert (Kälteschutz, größere Flaschen, Stages, Scooter, Reels usw.). Einige mögen denken, eine vorgeschriebene Ausrüstungskonfiguration schränke sie in ihrer Freiheit und Kreativität ein. Wenn man aber versteht, warum die Ausrüstung so konfiguriert ist, wie sie ist, dann merkt man schnell, dass sie sehr durchdacht ist und man keinen Bedarf für etwas anderes mehr hat. Und wenn man immer dieselbe Konfiguration taucht, muß man nicht ständig umdenken und reduziert Fehlverhalten bei sich selbst und beim Tauchpartner. Mehr Informationen zur Ausrüstung gibt es hier.

Mit Scooter unterwegs in Hemmoor
Mit Scooter unterwegs in Hemmoor

Dasselbe gilt für die Verfahren. Es werden für viele Dinge feste Abläufe trainiert, die jeder ausgebildete GUE-Taucher gleich macht. Zwei wildfremde Taucher können deshalb miteinander tauchen, und jeder weiß genau, wie der andere in bestimmten Situationen reagieren wird. Unabhängig von der Nationalität, der gesprochenen Sprache oder der Taucherfahrung. Mehr Informationen zu Verfahren und Übungen gibt es hier.

Welchen Vorteil hat Standardisierung? Ein Beispiel habe ich im letzten Absatz gerade gegeben. Aber auch aus dem täglichen Leben weiß man, dass Standardisierung in vielen Bereichen sehr vorteilhaft ist. Bezogen auf die Ausrüstung und die festen Abläufe vereinfacht und verbessert sie dem GUE-Taucher das Tauchen. Das Vorstellen der eigenen Ausrüstung beim Buddycheck fällt weg, wenn ich meinem Buddy helfen muß, weiß ich genau, wo was ist und auch warum. Die Tauchpartner können sich besser gegenseitig überwachen und Fehler oder Defekte so früher erkennen und besser vermeiden. Und so ganz nebenbei ist die GUE-Ausrüstung unglaublich angenehm und einfach zu tauchen und macht richtig viel Spaß. Und das ist schließlich das Wichtigste!

Für wen ist das GUE-System?

Auch wenn das Ausrüstungskonzept ursprünglich von Höhlentauchern entwickelt wurde, so kann man es sehr gut für das "normale" Sporttauchen einsetzen. Auch mit einer Monoflasche und einer ersten Stufe kann man (bei entsprechenden Bedingungen) sehr gut, sicher und angenehm nach GUE-Standards tauchen. Bei anspruchsvolleren Tauchgängen oder kaltem Wasser wird man dann ein Doppelgerät mit zwei ersten Stufen verwenden, eventuell kommen noch Stages und andere Ausrüstungsteile hinzu. Das GUE-System ist also nicht nur für die "Tekkies", sondern auch für die "Sporties".

In eigener Sache!

Ich mich auf diesem Wege bei allen bedanken, die bei der Erstellung dieser Seiten geholfen haben. Insbesondere bei Tom Karch, der als GUE Instructor den größten fachlichen Input lieferte, sowie bei Marion Kraschl und meiner Frau Merle, die viele Bilder dieser Seiten gemacht und dabei sehr viel Geduld bewiesen haben. Auch für das Korrekturlesen und Verbessern der vielen Tippfehler danke ich meiner Frau.